Ausstellung

EINFÜHRUNG
Zwangsarbeit war ein wesentliches Element des Zweiten Weltkrieges. Nazi-Deutschland und andere faschistische Regime in Europa, aber auch Japan, die Sowjetunion und die Kolonialmächte in Afrika haben systematisch Zwangsarbeit eingesetzt. 

Das Phänomen der Zwangsarbeit im Dritten Reich hat die Geschichtswissenschaft in den letzten Jahrzehnten stark beschäftigt und zu einer Fülle an Literatur, Ausstellungen und Kolloquien geführt. Heute ist die zentrale Rolle der Zwangsarbeit für die nationalsozialistische Kriegswirtschaft ausführlich erforscht und das Schicksal der dreizehn Millionen ausländischen Zwangsarbeiter fest im Bewusstsein der deutschen Gesellschaft verankert.

Doch die Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg ging weit über das Deutsche Reich hinaus. Millionen Europäer mussten auch von Brest bis Weißrussland, vom Nordkap bis Nordafrika für das NS-Regime und seine Verbündeten Arbeit leisten. Das Thema der Zwangsarbeit ist in den vom Deutschen Reich besetzten Ländern weit weniger bekannt und bleibt von der Forschungs- und Erinnerungskultur des jeweiligen Landes stark abhängig.

Im Zweiten Weltkrieg gab es auch spanische Zwangsarbeiter in Europa. Eine bislang wenig erforschte Gruppe sind die spanischen Bürgerkriegsflüchtlinge, die vom NS-Regime als « Rotspanier » stigmatisiert wurden und sowohl für Nazi-Deutschland als auch für Vichy-Frankreich arbeiten mussten.

Die folgende dreisprachige Ausstellung beleuchtet die Geschichte dieser spanischen Zwangsarbeiter, die in Spanien und in Frankreich in Vergessenheit geraten sind, während sie in Deutschland bereits vor Jahrzehnten offiziell als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt wurden.
ZWANGSARBEIT IM DRITTEN REICH
Am 1. September 1939 entfesselt das Deutsche Reich mit dem Angriff auf Polen den Zweiten Weltkrieg. Adolf Hitler will « Lebensraum » im Osten erobern und eine neue europäische Ordnung unter deutscher Vorherrschaft errichten. Die Mobilisierung der deutschen Arbeiter an die Front führt jedoch zu einem erheblichen Mangel an Arbeitskräften und entwickelt sich zu einem strategischen Problem für die nationalsozialistische Kriegswirtschaft. 

Dieser Arbeitermangel wird durch den Zwangseinsatz von über 13 Millionen Ausländern ausgeglichen. Bereits 1939 werden die ersten Kriegsgefangenen zur Arbeit gezwungen. Ende 1942 beginnt der massive Einsatz ziviler Zwangsarbeiter aus West- und Osteuropa (Reichseinsatz) und 1943 der menschenverachtende « Verleih » von KZ-Häftlingen an die Kriegsindustrie.

Verantwortlich für den Einsatz von Zwangsarbeitern in « Hitlers Europa » sind die Wehrmacht, die Arbeitsämter, die Betriebe der SS, die Organisation Todt, der « Generalbevollmächtigte für den Reichseinsatz » Fritz Sauckel, sowie die Satellitenregime des Dritten Reiches. Die gesamte deutsche Wirtschaft profitiert von den ausländischen Zwangsarbeitern. Ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen bleiben von der rassistischen Ideologie des NS-Regimes abhängig. Während die meisten « Westarbeiter » eine relativ gute Behandlung erfahren, werden die « Ostarbeiter » rücksichtslos ausgebeutet und die Juden zur « Vernichtung durch Arbeit » bestimmt.

Während des Zweiten Weltkrieges werden auch rund 100.000 Flüchtlinge des Spanischen Bürgerkrieges aufgrund ihrer politischen Gesinnung Opfer von Lagerhaft, Deportation und Zwangsarbeit in Deutschland und in Frankreich.
KRIEG IN SPANIEN
Im  Juli 1936 rebelliert ein Teil der Armee gegen die demokratische Regierung Spaniens. Die Putschisten unter der Führung des Generals Francisco Franco wollen die Republik zerstören, die seit ihrer Gründung 1931 moderne Sozialreformen einleitet, die konservative Kreise in Spanien als eine Bedrohung für ihre Privilegien und als einen Angriff auf das « Wesen » der Nation empfinden. 

Der ungleiche Kampf wird durch die internationale Unterstützung entschieden. Hitler und Mussolini unterstützen Franco mit Truppen, Artillerie und Flugzeugen, während die europäischen Demokratien der Republik jegliche Unterstützung verweigern und die spanische Regierung auf militärische Hilfe aus der Sowjetunion und von den Internationalen Brigaden angewiesen ist.

Der Krieg in Spanien polarisiert die öffentliche Meinung in Europa: Für die progressiven Kräfte ist es ein Kampf zwischen Demokratie und Faschismus, für die Konservativen ein Kampf zwischen Zivilisation und Kommunismus. Der Sieg Francos im April 1939 hinterlässt eine verheerende Bilanz: eine halbe Million Opfer, eine halbe Million Exilanten, ein zerstörtes Land und eine bis 1975 andauernde Diktatur.
FLUCHT NACH FRANKREICH

Die Flucht der Republikaner vor den Truppen Francos erfolgt in mehreren Wellen. Am Ende des Spanischen Bürgerkrieges Anfang 1939 flüchten schließlich fast eine halbe Million Soldaten, Zivilisten, Frauen, Kinder und Alte vor den Truppen Francos über die Pyrenäen. Mehrere Wochen lang strömen Tausende von Flüchtlingen auf hundert Kilometern Breite Tag und Nacht über die französische Grenze. 

Die Massenflucht der Republikaner wird in Frankreich als Bedrohung wahrgenommen. Diese immense Masse antifaschistischer Bürgerkriegs- flüchtlinge beunruhigt auch die französische Regierung: Sie entsendet die Armee an die spanische Grenze, entwaffnet die republikanischen Soldaten und interniert alle Flüchtlinge in improvisierten Lagern an den Stränden von Argelès-sur-Mer, Saint-Cyprien und Barcarès.

LAGERHAFT IN FRANKREICH
Über 300.000 spanische Bürgerkriegsflüchtlinge müssen 1939 während eines strengen Winters in den improvisierten Lagern an den Stränden Südfrankreichs Löcher in den Sand graben, um sich notdürftig zu schützen. 15.000 sterben in den folgenden Monaten durch die katastrophalen sanitären Bedingungen. Um die Flüchtlingslager am Strand zu entlasten, erbaut die Regierung neue Internierungslager in Südfrankreich, in denen ab Kriegsbeginn im September 1939 neben den « Rotspanier » nun auch Ausländer aus Feindstaaten und Kommunisten interniert werden.

Die größten Lager für « Rotspanier » entstehen in Barcarès, Agde, Gurs und Rivesaltes. Die große Mehrheit der spanischen Flüchtlinge kehrt in ihre Heimat zurück, einige emigrieren nach Lateinamerika und Mexiko. Anfang 1941 befinden sich noch rund 140.000 spanische Flüchtlinge in Frankreich, darunter 40.000 Frauen und Kinder. Die « Rotspanier » sind die ersten Internierten in Frankreich während des Zweiten Weltkrieges.
FREIWILLIGE AN DER FRONT
Im April 1939 beschließt die französische Regierung, alle ausländischen Flüchtlinge als Arbeiter in der Kriegswirtschaft oder als Soldaten im Kampf einzusetzen. Jeder Asylant muss sich schriftlich verpflichten, ein Dekret zur Ausweitung der allgemeinen Wehrpflicht auf Ausländer zu akzeptieren, um in Frankreich bleiben zu dürfen. Aus Asylanten werden so Arbeitersoldaten. Rund 6.000 Rotspanier engagieren sich in Freiwilligen- verbänden für Ausländer (RMVE) und in der Fremdenlegion. 

In der Schlacht um Frankreich im Mai 1940 zahlen die Ausländer einen hohen Preis für ihr Engagement. Das 1. Ausländer-Marschregiment wird an der Maginot-Linie dezimiert. Das 2. Ausländer-Marschregiment muss sich wegen Munitionsmangel im Elsass ergeben. Das 11. und 12. Infanterie-Regiment der Fremdenlegion verlieren an der Maginot-Linie Zwei Drittel ihrer Männer. Die 13. Halbbrigade der Fremdenlegion (DBLE) kämpft in Narvik, zieht sich nach England zurück und nimmt ab 1944 an der Befreiung Frankreichs teil.
EINSATZ AN DER MAGINOT-LINIE

Rund 90.000 « Rotspanier » werden als Dienstpflichtige (prestataires) in der französischen Kriegswirtschaft eingesetzt: 40.000 werden individuell für die Kriegswirtschaft angeworben, 55.000 werden von der Regierung in ausländische Arbeiterkompanien (CTE) zwangsrekrutiert. Im April 1940 sind alle « Rotspanier » in über 200 CTE erfasst. Nur 3.000 wehrdienstunfähige spanische Flüchtlinge verbleiben in den Internierungslagern. 

Die meisten Arbeiterkompanien (CTE) werden an der « Maginot-Linie » eingesetzt. Diese 1000 Kilometer lange Kette von unterirdischen Bunkeranlagen entsteht gegenüber der deutschen Verteidigungslinie, dem « Westwall ».Als die Wehrmacht im Mai 1940 Frankreich angreift, stehen die Rotspanier unbewaffnet an der Front, und die Maginot-Linie wird von den deutschen Panzern umfahren: 5.000 « Rotspanier »  der CTE sterben während des deutschen Angriffs, weitere 7.000 werden von der Wehrmacht gefangegenommen.
DEPORTATION INS DRITTE REICH
 
Am 20. August 1940 führen die deutschen Besatzer die erste Deportation von Zivilisten aus Westeuropa ins Deutsche Reich durch. Die Opfer sind 927 spanische Familien in einem Flüchtlingslager in Angoulême. Die Männer kommen ins KZ Mauthausen, die Frauen kehren nach Frankreich zurück und werden der spanischen Polizei übergeben. Die « Rotspanier » der CTE verbleiben zunächst zusammen mit den französischen Soldaten in Gefangenenlagern in Frankreich (Frontstalags). Die  Franzosen werden ins Deutsche Reich verlegt, nur  60.000 Kolonialsoldaten verbleiben aus « rassenhygienischen » Gründen in Frankreich.

Die 7.000 gefangenen « Rotspanier » dagegen werden vom Deutschen Reich nicht als Kriegsgefangene angesehen und auf Führerbefehl vom 25. September 1940 in deutsche Konzentrationslager deportiert. Im Laufe der deutschen Besatzung Frankreichs werden insgesamt 10 000 Spanier in verschiedene Konzentrationslager im Deutschen Reich deportiert. Darunter befinden sich spanische Politiker wie Francisco Largo Caballero, zahlreiche Widerstands- kämpfer wie Jorge Semprún oder Neus Catalá sowie geflüchtete Zwangsarbeiter wie der Maler Arthur Escoriguel.
ZWANGSARBEIT IM KZ MAUTHAUSEN 
Über 10.000 « Rotspanier » leisten Zwangsarbeit im Dritten Reich, die große Mehrheit als KZ-Häftlinge in Mauthausen. Mauthausen war das größte deutsche Konzentrationslager der Nazis auf dem Gebiet Österreichs. Im KZ Mauthausen und in seinen Nebenlagern sind rund 100.000 Menschen vieler Nationalitäten ums Leben gekommen. Das Lager Mauthausen war das einzige Konzentrationslager der Kategorie III auf dem Gebiet des Dritten Reiches. Die Kategorie III bedeutete « Vernichtung durch Arbeit ». 

Zu den besonders schweren Grausamkeiten im KZ Mauthausen gehörte die « Todesstiege », eine Steintreppe, die den Steinbruch mit dem Konzentrationslager verband. Die Steinträger schleppten mehrmals täglich Granitblöcke über die 186 Stufen. Von den 9.000 aus Frankreich deportierten « Rotspaniern » sterben 6.000 im KZ Mauthausen. Am 5. Mai 1945 befreien amerikanische Truppen das Lager. Doch für die Überlebenden spanischen KZ- Häftlinge beginnt die nächste Tragödie: Spanien entzieht ihnen die Staatsangehörigkeit. Sie werden als « Vaterlandsverräter » angesehen.
LAGERHAFT IM VICHY-REGIME
Nach der französischen Niederlage kommt im August 1940 in Frankreich ein autoritäres Regime mit Sitz in Vichy an die Macht. Angeführt von dem 84-jährigen Marschall Philippe Pétain betreibt das Vichy-Regime eine xenophobe, antikommunistische und antisemitische Repressionspolitik. 

Ab Juli 1942 dienen die Vichy-Lager als Sammelbecken für die Deportation von insgesamt 76.000 Juden in die nationalsozialistischen Todeslager. Weitere 86.000 politisch verfolgte Franzosen und Ausländer werden aus den Vichy-Lagern in deutsche Konzentrationslager deportiert. Ab 1943 entsendet das Vichy-Regime über eine halbe Million junger Franzosen im Rahmen des französischen Arbeitsdienstes (STO) ins Deutsche Reich.

Die spanischen Immigranten in Frankreich werden überwacht, und die spanischen Flüchtlinge, die nicht emigrieren oder nach Spanien zurückkehren wollen, kommen in Internierungs- und Arbeitslager in der Vichy-Zone.
ZWANGSARBEIT FUER VICHY
Die « Rotspanier » in der unbesetzten Zone Frankreichs bleiben von einer Deportation ins Deutsche Reich verschont, nicht aber von der repressiven Politik des Vichy-Regimes. Die Vichy-Regierung schafft ihr eigenes System von Arbeitslagern, in dem « Rotspanier », mittellose Ausländer und ausländische Juden interniert werden. 

Ein Gesetz vom 7. September 1940 erlaubt es,« überschüssige Ausländer in der Nationalwirtschaft » dem Arbeitseinsatz zuzuführen. Alle Spanier in den Internierungslagern werden in zahlreiche Arbeitskommandos für Ausländer (Groupements de Travailleurs Étrangers, GTE) in der Vichy-Zone zwangsrekrutiert. Die « Rotspanier » sind die ersten Zwangsarbeiter des Vichy-Regimes. Vier Jahre lang müssen rund 30.000 Rotspanier und 10.000 andere Ausländer in der Südzone ohne Lohn und unter der Kontrolle eines neuen « Kommissariat zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit » in der Landwirtschaft und in der Industrie arbeiten.

Die GTE dienen ab 1941 zur Deportation der « Rotspanier » in die deutsch-besetzte Zone. Für Arbeitsverweigerer werden spezielle Strafkommandos eingerichtet. Rund tausend ausländische Juden werden in « Judengruppen » erfasst und 1942 in Konzentrationslager im Dritten Reich deportiert. Ab 1943 schafft das Vichy-Regime auch eigene Arbeitskommandos (Groupement 8) an der Atlantikküste.
LAGERHAFT IN NORDAFRIKA
 
Das Vichy-Regime verfügt während des Zweiten Weltkrieges über das zweitgrößte Kolonialreich der Welt mit Kolonien in Nord-, West- und Zentralafrika, Amerika, Asien und Ozeanien. Am Ende des Spanischen Bürgerkrieges flüchten über zehntausend Spanier nach Nordafrika, darunter zweitausend Flüchtlinge auf dem britischen Frachter Stanbrook, der Alicante im März 1939 verlässt. Nach dramatischen Szenen mit Selbstmorden im Hafen landet die Stanbrook nach 22 Stunden Fahrt in der Nähe von Oran (Algerien).

Auch in Französisch-Nordafrika bauen die regimetreuen Kolonialbehörden ein System von Internierungs- und Arbeitslagern auf, in dem Franzosen, Nordafrikaner und Ausländer unter extremen Bedingungen leben müssen, darunter viele europäische Intellektuelle. Auch nord-afrikanische Nationalisten sowie deportierte Kommunisten und Anarchisten - darunter viele Spanier aus dem Lager Vernet wie der Schriftsteller Max Aub - werden in Algerien interniert. Das grösste Lager entsteht in Djelfa für 2500 Rotspanier, Juden, Kommunisten und Mitglieder der Internationalen Brigaden.
Zwangsarbeit fuer die Transsahara-Eisenbahn
 
Rund 2.000 « Rotspanier » werden beim Bau einer Eisenbahnlinie quer durch die Sahara eingesetzt, die « Transsaharien ». Dieses 3.000 Kilometer lange Eisenbahnprojekt soll Algerien mit dem Mali zu verbinden, wo tausende afrikanische Zwangsarbeiter beim Anbau von Baumwolle eingesetzt werden (Office du Niger). Das Vichy-Regime will so ein altes französisches Kolonialprojekt verwirklichen und Westafrika mit Nordafrika verbinden.

Die eingesetzten Arbeitskräfte beim Bau der Transsahara-Bahn sind « Rotspanier », Juden, Kommunisten und Nordafrikaner, die unter extremen Bedingungen leben und arbeiten müssen. Arbeitsverweigerer kommen in ein Straflager in Hadjerat M`Guil (Algerien), dessen Aufseher nach dem Krieg zu Tode verurteilt werden. 1941 wird ein Teilstück der Strecke vom französischen Transportminister Bichelot feierlich eingeweiht, doch bis zur Landung der Alliierten in Nordafrika im September 1943 werden nur 46 Kilometern fertiggestellt. Das Projekt wird nach dem Krieg eingestellt. Die « Rotspanier » werden so drei Jahre lang Opfer eines kolonialen Größenwahns des Vichy-Regimes.
LAGERHAFT IN DER ORGANISATION TODT
 
Die nationalsozialistische Baubehörde « Organisation Todt » (OT) entsteht 1938 für den Bau von Autobahnen und Bunkeranlagen im Deutschen Reich (Westwall) und folgt als paramilitärische Bautruppe der Wehrmacht bei allen Blitzkriegen in Europa. Die OT unter der Leitung des Ingenieurs Fritz Todt, später unter dem Architekten Albert Speer, übernimmt die OT in den besetzten Gebieten sämtliche Arbeiten für die Wehrmacht und wird ein Pfeiler der deutschen Kriegswirtschaft. Die OT ist direkt Adolf Hitler unterstellt und entwickelt sich im Laufe des Weltkrieges zum größten Arbeitgeber in « Hitlers Europa » : Anfang 1944 beschäftigt sie eineinhalb Millionen Freiwillige, Dienstverpflichtete, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge.

Die größten Bauprojekte entstehen bei der « OT-Einsatzgruppe West » im besetzten Frankreich. Sie baut zusammen mit deutschen und französischen Firmen U-Bootbunker, tausende Befestigungsanlagen und Abschussrampen für Marschflugkörper. Für ihre Großbaustellen fordert die OT ständig neue Arbeitskräfte vom Vichy-Regime. Um die französische Bevölkerung vor Zwangsarbeit zu schützen, liefert Vichy zunächst Kolonialarbeiter, Juden und « Rotspanier » an die Organisation Todt aus. Ab 1943 werden schließlich auch Tausende Franzosen im Rahmen des französischen Arbeitsdienstes (STO) bei der OT eingesetzt.
ZWANGSARBEIT FUER U-BOOTBUNKER
Nach der Besetzung Frankreichs 1940 verlegt das Dritte Reich seine U-Bootflotte an die französische Atlantikküste. Um sie vor alliierten Bombenangriffen zu schützen, beginnt die Kriegsmarine mit dem Bau von gewaltigen U-Bootbunkern in den französischen Atlantikhäfen Brest, Lorient, Saint-Nazaire und La Rochelle, später auch in Bordeaux und Marseille. Für diese Großprojekte vergibt die Organisation Todt lukrative Aufträge an deutsche und französische Unternehmen, die ihre Arbeiter mitbringen, während die Besatzungsmacht das notwendige Material liefert. 

Das Gros der Arbeiter sind freiwillige und dienstverpflichtete Franzosen, sowjetische, afrikanische und italienische Kriegsgefangene und aus der Vichy-Zone deportierte « Rotspanier ». Eine Kommission Todt besucht die Arbeitskommandos in der Vichy-Zone und versucht Freiwillige anzuwerben. Als dies nicht gelingt, werden die« Rotspanier » von Vichy an die OT ausgeliefert. Rund 35.000 spanische Flüchtlinge kommen so in Arbeitslager der Organisation Todt im besetzten Frankreich. Anfang 1944 schafft das Vichy-Regime schließlich auch Arbeitskommandos für Ausländer (Groupement 8) in den deutsch besetzten Atlantikhäfen.


ZOOM : « Rotspanier » in der Kaserne Niel
Die Kaserne Niel in Bordeaux, benannt nach dem Marschall Adolphe Niel, wurde im 19. Jahrhundert als Lager für Exportgüter erbaut und 1875 von der französischen Armee für eine Transporteinheit gekauft. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Kaserne von der Wehrmacht beschlagnahmt, um 3000 spanische Zwangsarbeiter unterzubringen, die aus der Vichy-Zone deportiert werden. Sie wurden von der Organisation Todt beim Bau eines U-Bootbunkers in Bordeaux beschäftigt.

Das OT-Lager wird von dem Deutsch-Spanier Otto Warncke geleitet, der mit den deutschen Besatzungsbehörden zusammenarbeitet. Während des Baus des U-Bootbunkers und einer verbunkerten Hafenschleuse sterben mindestens 68 spanische Zwangsarbeiter.Ab 1943 desertieren fast 1000 Spanier aus dem Lager. Viele schließen sich dem Widerstand an und nehmen auch in den Bataillonen « Guernica » und « Libertad » an der Befreiung der deutschen Festungen an der Gironde-Mündung teil.   

Nach dem Kriege benutzt die französische Armee die Kaserne bis 2005. Im Jahre 2008 verkauft die Stadt die Kaserne an das Projekt DARWIN, das sie zu einem Kultur- und Ökoprojekt umbaut.Das Ökosystem DARWIN lockt jedes Jahr eine Million Besucher an, und die Kaserne Niel ist zusammen mit dem U-Bootbunker ein wichtiger Erinnerungsort des Zweiten Weltkrieges in Bordeaux.

LAGERHAFT AUF DEN KANALINSELN
Als einziges britisches Territorium unter deutscher Besatzung erhalten die Kanalinseln große symbolische Bedeutung für die NS-Regime. Auf Befehl des Führers vom 20. Oktober 1941 werden die drei kleinen Inseln zu uneinnehmbaren « Festungen » ausgebaut. Um die britische Bevölkerung jedoch nicht zu gefährden, werden die Inseln von den Alliierten nie angegriffen. Auf den besetzten Kanalinseln errichtet die Organisation Todt zahlreiche Arbeitslager, darunter das Konzentrationslager « Sylt ». 

Rund 4.000 « Rotspanier » werden auf die Inseln deportiert.Schwerstarbeit, Unterernährung, Krankheiten, Strafen und Exekutionen gehören zum Alltag der Gefangenen:  Der Lagerführer Adam Adler und der Meister Heinrich Evers des OT-Lagers « Norderney » werden nach dem Krieg verurteilt. Im Sommer 1944 werden alle Zwangsarbeiter evakuiert und ins Dritte Reich deportiert. Über 700 Zwangsarbeiter sterben allein auf der Insel Alderney während der deutschen Besatzung.
ZWANGSARBEIT AM ATLANTIKWALL
Der « Atlantikwall » ist eine Verteidigungslinie entlang der Küsten des Atlantiks, des Ärmelkanals und der Nordsee. Sie wurde von 1942 bis 1944 vom Dritten Reich geplant und teilweise erbaut, um « Hitlers Europa » zwischen Hendaye und dem Nordkap in eine unangreifbare Festung zu verwandeln. Bereits mit der Kriegserklärung der USA im  Dezember 1941 fordert Hitler einen « Gürtel von Bollwerken » an der Atlantikküste. Nach einer missglückten Landung alliierter Truppen bei Dieppe im August 1942 befiehlt Hitler die Befestigung der Küsten zu einem « Atlantikwall » und beauftragt seinen « Wüstenfuchs » Erwin Rommel mit dem Ausbau. 

Die Organisation Todt vergibt in Zusammenarbeit mit der Wehrmacht lukrative Verträge an deutsche und lokale Baufirmen und mobilisiert fast 300 000 Arbeiter in Frankreich. Der grösste Teil der Arbeiterschaft sind zwangsverpflichtete Franzosen, aber auch osteuropäische, italienische und afrikanische Kriegsgefangene sowie spanische und jüdische Zwangsarbeiter in zahlreichen OT-Lagern.

Am Vorabend der alliierten Landung in der Normandie im Juni 1944 sind rund 8 000 Bunker nach standardisierten Plänen fertiggestellt. Der schlecht bewaffnete Atlantikwall wird am « D-Day » in wenigen Stunden von den Alliierten überrollt. Nur einige « Festungen » in Frankreich leisten Widerstand und werden erst im Mai 1945 von der französischen Armee und spanischen Widerstandsgruppen befreit.
BEFREIUNG IN FRANKEICH
 
Die « Rotspanier » sind mit rund 10.000 Kämpfern die größte Gruppe von Ausländern im französischen Widerstand. Sie desertieren reihenweise aus den Arbeitskommandos (GTE) und den Lagern der Organisation Todt, um sich der Résistance anzuschließen. In Nordafrika schließen sich die im November 1943 aus den Lagern befreiten « Rotspanier » der Armee von General de Gaulle an. 150 Spanier der Division Leclerc (La Nueve) nehmen an der Befreiung von Paris teil. Mehrere Städte in Südfrankreich und deutsche Festungen werden im Sommer 1944 von spanischen Widerstandsgruppen befreit. Im November 1945 löst General Gaulle schließlich die Arbeitskompanien für Ausländer (GTE) auf.

Nach ihrer Befreiung in Frankreich hoffen viele « Rotspanier » vergeblich auf eine alliierte Intervention in Franco-Spanien. Die Mehrheit bleibt dauerhaft im Exil, viele nehmen die französische Staatsangehörigkeit an und bestreiten ihr Leben in Frankreich ; andere bleiben staatenlos. Aus Bürgerkriegsflüchtlingen werden in der Nachkriegszeit spanische Emigranten.
ENTSCHÄDIGUNG AUS DEUTSCHLAND
 
In der Nachkriegszeit fordern Tausende ehemalige spanische Zwangsarbeiter des « Atlantikwall » eine Entschädigung von der Bundesrepublik Deutschland, da sie sich als politische Verfolgte betrachten, so wie die spanischen KZ-Häftlinge im Dritten Reich. Die deutsche Entschädigungs- behörde verweigert ihnen zunächst eine Anerkennung mit dem Argument, das sie Freiwillige in der Organisation Todt gewesen wären. Mit Hilfe von Anwälten klagen die « Rotspanier » vor der deutschen Justiz.

Das Oberlandesgericht Köln leitet eine umfangreiche Untersuchung ein: Hunderte von Zeugen werden verhört, darunter auch der ehemalige Chef der Organisation Todt Albert Speer. Schließlich entscheiden die deutschen Richter, dass die « Rotspanier » aus politischen Gründen von den deutschen Besatzern verfolgt wurden und deswegen nach dem Gesetz als Opfer des Nationalsozialismus entschädigt werden müssen.

Die « Rotspanier » sind die ersten Zwangsarbeiter, die von der Bundesrepublik Deutschland entschädigt werden. Erst im Jahre 2000 schafft die wiedervereinte Bundesrepublik einen offiziellen Fonds für die Entschädigung von Zwangsarbeitern im Dritten Reich.
ERINNERUNG IN EUROPA
 
Das Konzentrationslager Mauthausen in Österreich und das Internierungslager Rivesaltes in Frankreich sind heute bedeutende Gedenkstätten des Faschismus in Europa. Die spanischen Zwangsarbeiter der Organisation Todt und des Vichy-Regimes jedoch sind bis heute vergessen.

Die Arbeitslager der Organisation Todt sind in der deutschen Geschichtswissenschaft unbekannt, lediglich in Ostdeutschland ist die Erinnerung an die Internationalen Brigaden noch wach.

In Frankreich kämpfen die Kinder der « Rotspanier » seit Jahren um eine offizielle Anerkennung durch den Staat. Bislang wurden sie nur von der Stadt Paris und von zahlreichen lokalen Initiativen gewürdigt, während die Zwangsarbeit in den GTE vom französischen Staat lediglich als ein gewöhnlicher Rentenanspruch anerkannt wurde.

Auf den britischen Kanalinseln werden alle Zwangsarbeiter der Organisation Todt gewürdigt, während in Nordafrika nur noch die Gleise der Transsahara-Bahn an die Lager erinnern.

In Spanien überlagerte lange Zeit das schwierige Erbe des Spanischen Bürgerkrieges die Erinnerung an das republikanische Exil. Die Spanier im KZ Mauthausen sind fester Bestandteil der nationalen Erinnerung, die Spanier in Frankreich dagegen Bestandteil kollektiven Vergessens.

Diese Ausstellung würdigt in Zeiten weltweiter Flüchtlingsströme und wachsender Xenophobie diese vergessenen spanischen Flüchtlinge, Deportierte und Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkrieges.
© Peter Gaida 2019
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